Fußball – die beliebteste Sportart der Welt. Der Weltverband FIFA schätzt, dass auf dem gesamten Erdball atemberaubende 265 Millionen Männer und Frauen aktiv kicken. Auch in Anklam erfreut sich der Fußball seit vielen Jahrzehnten großer Beliebtheit. Ganz genau sind es mittlerweile 100 Jahre, denn 1919 wurde in der Peenestadt erstmals Fußball als Vereinssportart ausgeübt. Aber wie hat das damals in Anklam eigentlich angefangen? Wo wurden die ersten Tore bejubelt? Welche Höhen und Tiefen gab es rund um den Anklamer Fußball?
Antworten auf diese Fragen kennt Jens Braatz, der in den vergangenen Monaten unzählige Stunden damit verbracht hat, die 100-jährige Geschichte des Anklamer Fußballs zu beleuchten. Daraus entstanden ist unter anderem ein Beitrag, der im aktuellen Anklamer Heimatkalender zu lesen ist. „Ich habe eine Reihe interessanter Gespräche mit ehemaligen Spielern, deren Kinder und Menschen, die sich für den Anklamer Fußball interessieren, geführt. Da sind viele Informationen zusammengekommen“, erklärt der 52-Jährige, der dem Anklamer Fußball als Spieler, Verantwortlicher und Fan nicht nur seit vier Jahrzehnten eng verbunden ist, sondern auch zu den Mitgliedern des „Historischen Vereins Anklam und Umgebung“ zählt. Bei der Aufarbeitung der Geschichte geholfen haben Jens Braatz außerdem eine Seminararbeit zur „Geschichte der Körperkultur der Stadt Anklam“ von Günter Bockhagen aus dem Jahr 1957, Berichte aus unserer Zeitung und eine Festschrift des Turnvereins Anklam, die anlässlich des 50-jährigen Stiftungsfestes entstand. „Viele Information habe ich auch von Jürgen Pflichtbeil erhalten. Er hat das Anklamer Fußballgeschehen über viele Jahre mitgeprägt“, erklärt Braatz. Er sucht für eine geplante Ausstellung im Anklamer Museum noch nach Ausstellungsstücken: „Ob alte Fotos, Bälle, Trikots, Fahnen, Pokale oder Fußballschuhe: Wir sind für alles dankbar, was uns zur Verfügung gestellt wird“, macht der Trainer unserer Ü35-Mannschaft deutlich. Einige interessante Ausstellungsstücke hat er bereits zusammen: „Dazu zählt eine Fahne von der BSG Empor aus dem Jahr 1954.“
Ihren Anfang hat die Anklamer Fußballgeschichte ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, als 1919 im Turnverein die Spielabteilung Fußball eröffnet wurde. „Damals hat man zum Erlernen dieser Sportart zwei Leute nach Stralsund geschickt. Trotz großer Ledernot wurde für 35 Mark ein gebrauchter, aber gut erhaltener Fußball angeschafft“, blickt Jens Braatz zurück und fügt hinzu: „1921 entstand unter der Leitung des Lehrers Georg Arndt die Jugendabteilung. Zu diesem Zeitpunkt war Fußball in Deutschland lediglich eine Randsportart. Das Turnen war die Sportart Nummer eins.“ Die Peenestadt besaß zu dieser Zeit mit dem Turnplatz am heutigen Theater eine Sportfläche, die für das Frei- und Geräteturnen eingerichtet war. Dennoch wurde auch hier Fußball gespielt, was verständlicherweise sehr bald zu Problemen führt. Abhilfe sollte 1920 der Rückbau von Turngeräten sowie das Fällen drei alter Linden, die auf dem Platz standen, schaffen. Eine Lösung, die nicht von Dauer für den immer populärer werdenden Ballsport in Anklam war.
Die Vereinigung des Anklamer Turnvereins mit dem Turnverein Eiche im Jahre 1922 zum Anklamer Turnerbund führte zur Trennung der Spielabteilungen im Jahre 1923. Diese Ausgliederung führte 1923 zur Gründung des Vereins für Leibesübungen (VFL). „Im September 1923 betrug der Mitgliedsbeitrag pro Vierteljahr beim ATB in Folge der Inflation 75 000 Mark. Dennoch entstand 1923 im Rahmen eines Arbeitslosenhilfsprogrammes das heutige Werner-Seelenbinder-Stadion.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 veränderten sich die Vereinsstrukturen in ganz Deutschland. In Anklam gab es zu dieser Zeit keine Arbeitersportvereine mehr. Durch die angeordnete Zentralisierung der Sportvereine 1934 wurden der ATB und VfL zu Hauptsportvereinen. Betriebsmannschaften gab es ebenfalls. In einem Artikel vom 3. Juni 1938 berichtete unsere Zeitung vom Spiel der Mannschaften Arado I gegen VfL, das 0:4 endete. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden keine Punktspiele mehr ausgetragen, da sich alle Fußballer im Kriegseinsatz befanden.
Der damals wohl begabteste Anklamer Kicker war Hans Breitsprecher, der 1941 bei einem Lehrgang in Stettin kurzzeitig von Fußball-Legende Sepp Herberger trainiert wurde. Seine aktive Laufbahn begann er bei VfL. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges spielte Breitsprecher in einer Soldatenauswahl unter anderem gegen eine Mannschaft aus Belgien/Nordfrankreich, nach dem Kriegsende dann für die SG Anklam. In einem Spiel im Jahre 1949 wurde er als Stürmer in der Mecklenburger Landesauswahl gegen Brandenburg eingesetzt. Danach spielte Breitsprecher für die Teams von „Konsum“, „Empor“ und „Lok Anklam“. Er wurde später vom Verein für Ballsport (VfB) Anklam zum Ehrenmitglied ernannt. Sein Sohn Jörg-Michael Breitsprecher entwarf 2008 unentgeltlich das Vereinslogo des Vorpommerschen Fußball-Clubs (VFC) aus tiefer Verbundenheit seiner Familie zum Anklamer Fußballsport. Aktuell zählt der VFC knapp 300 Mitglieder, die in insgesamt zwölf Mannschaften auf Torejagd gehen.
Viele weitere Informationen zur 100-jährigen Geschichte des Anklamer Fußballs sind im Heimatkalender 2019 zu finden, der im Museum Anklam, in der Stadtinformation Anklam sowie bei der Firma Rauchmann in Anklam erhältlich ist. Wer Ausstellungsstücke zur Verfügung stellen, kann sich bei Jens Braatz unter der Telefonnummer 03971 245766 melden.